Dem DEI wurde vom griechisch-orthodoxen Patriarchat und dem Heiligen Synod die besondere Ehre zuteil, die Erlaubnis zu erhalten, östlich und südlich des griechisch-orthodoxen Priesterseminars (Areal VI) und sogar auf den (wenigen) Freiflächen des griechisch-orthodoxen Friedhofs auszugraben (Areal VIII).
Die archäologischen Erkundungen im Sommer 2023 fanden unter der Leitung von Dieter Vieweger, Jennifer Zimni-Gitler, Katja Soennecken und Lee Muller-Crkvenjakov auf dem Gelände des griechisch-orthodoxen Patriarchats Jerusalem in Kooperation mit der israelischen Antikenbehörde in Person von Michael Chernin statt.
Übersicht über die bisherigen Grabungsareale des DEI auf dem Zionsberg
In Jerusalem erreichte das Christentum seine erste große Blüte in byzantinischer Zeit (4.-7. Jh. n. Chr.). Dies spiegelte sich in der Errichtung zahlreicher Kirchen in der Stadt wider – eine davon auf dem heutigen Zionsberg. Erbaut im Jahr 386 n. Chr. befinden sich die Ruinen der Kirche Hagia Sion genau unter der modernen Dormitio Abtei. Um diese herum entstand ein Wohnviertel, welches die wohlhabenden Bewohner der Stadt beherbergte. Die diesjährigen Ausgrabungen des DEI konnten große Teile dieses Viertels freilegen (Areal VI-2). Die einzelnen Räume der erkundeten Häuser waren mit sorgfältig verputzten Wänden, sowie teils mit Mosaikfußböden ausgestattet.
Areal VI-2; Räume eines byzantinischen Wohnkomplexes
Zugemauerter Durchgang eines byzantinischen Hauses mit Mosaik-Fussboden (im Vordergrund)
Ein weiterer Komplex mehr im Westen des Areals lässt sich als Bad interpretieren, das ganz unverkennbar Hypokausten und Tubuli enthielt. Die Innenausstattung aus Marmor sowie filigrane Gefäße (Byzantine Fine Ware) lassen auf einen gehobenen Status und auf einen gewissen Wohlstand der Bewohner schließen.
Detailaufnahme der Hypokausten
Besonders herauszuheben ist der Fund eines Ostrakons, eine mit Gallapfeltinte beschriebenes Keramikscherbe.
Der Anziehungspunkt zahlreicher Pilger dieser Zeit war die Hagia Sion. Hier wurden in byzantinischer Zeit verschiedene christliche Traditionen lokalisiert, wie zum Beispiel die Entschlafung der Maria und das Pfingstgeschehen, denen auch heute noch am selben Ort gedacht wird.
Trotz der Zerstörung durch die sassanidische Eroberung in 614 n. Chr. wurde die Kirche mehrmals wiederaufgebaut und bis in die Kreuzfahrerzeit weiterhin betrieben (Sancta Maria in Monte Sion) und sogar erweitert.
Der Grundriss der Kirche kann bisher nur in groben Zügen rekonstruiert werden, da sich die archäologischen Erkenntnisse nur auf die frühen Ausgrabungen aus der Entstehungszeit der modernen Abtei (1898-1900) durch Baurat Sandel und H. Renard und M. Gisler sowie eine kleine Rettungsgrabung aus den 1980er Jahren durch B. Pixner und E. Eisenberg stützen können. Letztere brachten die kreuzfahrerzeitliche Erweiterung der Kirche zutage. Die diesjährigen Grabungen des DEI konnten einen weiteren Teil des prachtvollen Gebäudes freilegen. Die Ausgrabungen im Bereich des griechisch-orthodoxen Friedhofes brachten den zur byzantinischen Kirche gehörigen Narthex mit einem Frischwasserkanal zutage, der wahrscheinlich dazu diente, den Atriumshof mit Wasser zu versorgen.
Areal VIII-2 Narthex (rot) und Kanal (blau)
Die vermutete Kirche mit Atrium an der Fundstelle im NW (oben rechts)
Ab dem Mittelalter lag der Zionsberg zwar außerhalb der ummauerten Stadt, dies tat aber der Nutzung der Zionskirche keinen Abbruch. Die Kirche mitsamt dem dazugehörigen Chorherrenstift musste nun eigens geschützt werden. Dies geschah durch eine Fortifikationsmauer rund um das Kloster, von dem die Karte von Cambrai sowie verschiedene Schriftquellen wie Johannes Phocas und die Gesta regis Henrici Secundi benedicti Abbatis) zeugen.
In den Jahren 2021 und 2022 wurden bereits Teile einer mächtigen Umfassungsmauer in den Gärten der Dormitio Abtei ausgegraben. Eine weitere, andersartig gebaute mächtige byzantinische Mauer verläuft durch den Bereich des „Griechischen Gartens“.
Neu aufgefundene Umfassungsmauer in Areal VI-1
Trotz umfangreicher Ausgrabungen sind einige Fragen noch offen geblieben: Zum Beispiel der genaue Verlauf und die Chronologie der historischen Stadtmauern Jerusalems im Südwesten der Stadt. Daher werden die Ausgrabungen im nächsten Jahr auf dem Zionsberg fortgesetzt. Nicht nur der genaue südwestliche Verlauf von Jerusalems Stadtmauern in hellenistischer, frührömischer und byzantinischer Zeit interessiert, sondern besonders auch die Frage, ob es an dieser Stelle eine eisenzeitliche Stadtmauer gab, weil die Größe der alttestamentlichen Stadterweiterung durch Hiskia im 8. Jh. n. Chr. heftig umstritten ist.